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SCHADENERSATZANSPRUCH EINES "RETTERS"

Beim Ausparken im Ortsgebiet um 01:00 Uhr früh wurde der am gegenüberliegenden Fahrbahnrand geparkte PKW beschädigt. Etwa 10 Meter unterhalb des beschädigten Fahrzeuges wurde auf der abschüssigen Fahrbahn der andere PKW zum Stillstand gebracht. Der Lenker stieg aus und ging zurück um gemeinsam mit dem Lenker des anderen Fahrzeuges den verursachten Schaden zu besichtigen. Während der Besichtigung begann das unterhalb abgestellte Fahrzeug abwärts zu rollen. Der Lenker des Beschädigten Fahrzeuges (im folgenden "Kläger") bemerkte dies und lief dem anderen Fahrzeug (im folgenden "Beklagtenfahrzeug") hinterher um es zum Stehen zu bringen. Bei diesem Versuch in das rollende Fahrzeug zu kommen, ist er aus ungeklärter Ursache zu Sturz gekommen und wurde sein Fuß von einem Hinterrad des rollenden Fahrzeuges überrollt und schwer verletzt. Die Haftpflichtversicherung und der Lenker des Beklagtenfahrzeuges wurden vom Kläger auf Schadenersatz (Schmerzengeld etc.) geklagt. Das Erstgericht wies die Klage ab, weil es der Ansicht war, dass sich der Kläger freiwillig durch das Nachlaufen in eine unnötige Gefahr gebracht hat. Es seien keinerlei Personen oder Vermögen durch das rollende Fahrzeug in Gefahr gewesen, da voraussehbar gewesen sei, dass das Beklagtenfahrzeug von vornherein eine Schrägfahrt Richtung der linksseitig befindlichen Böschung durchführte, sodass das Einschreiten des Klägers objektiv überhaupt nicht notwendig war, um irgend eine Gefahr abzuwenden.

Der Rettungsversuch war daher einerseits objektiv ungeeignet und nicht notwendig und andererseits übermäßig gefährlich. Die bewirkte Verletzung sei Folge seines eigenen Willensentschlusses und dem Erstbeklagten nicht zuzurechnen. Das Landesgericht Ried im Innkreis hat diese Entscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das Landesgericht Ried im Innkreis hat in sehr lebensnaher Beurteilung des Sachverhaltes klargestellt, dass es in dem kurzen Zeitpunkt, der dem Kläger zur Überlegung verblieb, für diesen nicht absehbar war, dass tatsächlich niemand gefährdet ist, da es ja finster war. Er hat eine objektiv geeignete und nicht von vornherein aussichtlose oder übermäßig gefährliche Sicherungsmaßnahme gesetzt, um möglichen Schaden abzuwenden und hat der Lenker des Beklagtenfahrzeuges, der sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß abgestellt hat, dafür auch zu haften.

Auch ein vermeintlicher Notfall reicht aus, um einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, welcher dem nothilfeleistenden Geschäftsführer ohne Auftrag durch sein Eingreifen entstanden ist.

Der Oberste Gerichtshof hat nun im Ergebnis die Entscheidung des Landesgerichtes Ried im Innkreis bestätigt und den Schadenersatzanspruch aufgrund Verschuldenshaftung bestätigt. Da der Beklagte sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß abgestellt hatte und vor dem Wegrollen sicherte (etwa durch Anziehen der Handbremse bzw. ordentlichen Einlegen eines Ganges), hat dieser eine Schutznorm verletzt, nämlich jene des §23 Abs. 5 StVO, wonach ein Lenker, bevor er das Fahrzeug verlässt, es so sichern muss, dass es nicht abrollen kann.
Diese Vorschrift ist eine Schutznorm, die dazu bestimmt ist, zufälligen Beschädigungen durch ein abrollendes Fahrzeug vorzubeugen. Bei Verstößen gegen ein Schutzgesetz ist Haftungsvoraussetzung, dass ein Schaden eintritt, den die übertretende Norm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern wollte. Genau dies war hier der Fall. Es hat sich jene Gefahr durch das Wegrollen verwirklicht, dem die Vorschrift der StVO vorbeugen wollte.

Der Lenker hat somit rechtswidrig gehandelt und hat sich der Helfer gerade deshalb in Gefahr begeben, um jene Güter zu schützen, wegen deren Gefährdung der Täter rechtswidrig gehandelt hat. Ein schuldhaft handelnder Schädiger hat auch für bei der Rettung bzw. bei nicht von vornherein untauglichen Rettungsversuchen eintretende Schäden an Personen und/oder Sachen zu haften, wenn solche Schäden nicht völlig außerhalb jeder objektiver Lebenserfahrung (Vorhersehbarkeit) liegen.

Da aus Sicht des Klägers eine vermeintliche Gefährdung fremder Güter vorlag und das Eingreifen des Helfers verständlich und billigenswert erscheint, ist das von ihm auf sich genommene Risiko und die daraus entstehenden Schadensfolgen dem Schädiger zuzurechnen. Da aus Sicht des Retters auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, dass sich die Rollrichtung ändert, war aus seiner Sicht jedenfalls eine eminente Gefahrenquelle für andere Benutzer der Fahrbahn vorhanden. So ist die Interessensabwägung zu Gunsten des Klägers ausgefallen. Es war auch eine taugliche Rettungsmaßnahme, da festgestellt wurde, dass man ein rollendes Fahrzeug nur dadurch zum Stillstand bringen kann, dass man in das Fahrzeug hineinkommt und die Handbremse anzieht oder auf das Fußbremspedal gelangt. Da sich der Kläger seitlich dem Beklagtenfahrzeug annäherte, kann auch keine Rede von einem unverhältnismäßig riskanten Vorgehen sein. Der Beklagte hat also für die erlittenen Verletzungen im Zusammenhang des Rettungsversuches des Klägers zu haften.

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